Kristian Gründling, Spiegel Bestseller Filmemacher und Regisseur - 112
Shownotes
„Wir müssen uns radikaler zutrauen, Dinge zu ändern“
Was möchtest du wirklich, wirklich tun auf dieser Welt? Diese philosophische Frage hat seinerzeit der New-Work-Begründer und Philosoph Frithjof Bergmann gestellt. Jetzt wird sie erneut gestellt – und zwar vom Regisseur, Produzent und Filmemacher Kristian Gründling. In seinen Dokumentarfilmen betrachtet er den Kulturwandel in unserer Arbeitswelt – und lädt uns zu ehrlicher Selbstreflektion ein.
Dokumentarfilme über den Kulturwandel in der Arbeitswelt
Zugegeben: Seine Filme „Stille Revolution“ (2018) und „Work in Progress“ haben mich stark bewegt, wie viele Andere auch. Das liegt daran, dass wir alle in einem tradierten Arbeitskontext erzogen wurden, schon in der Schule darauf getrimmt und vorbereitet. Der Clash zwischen den Anforderungen der jungen Generation und dem Arbeitsmarkt könnte aktuell nicht größer sein. Trotzdem ist an allen Ecken die Rede von New Work. Wieso?
Das wollte ich vom Filmemacher höchstpersönlich wissen – und habe kürzlich mit Kristian gesprochen. „Viele Unternehmen versuchen, mit der alten Haltung im neuen Gewand von New Work weiterzumachen“, schildert er mir: Statt „Sie“ gebe es dann die Duz-Kultur und jede Menge trendige Wörter, einen Billardtisch oder Meditationsworkshops. „Im Außen wird unternehmensseitig viel getan, aber der alte Geist, die wirkungsmächtige Haltung von früher, steckt noch drin.“
New Work auf dem Prüfstand: Sein versus Schein
Diese Auffassung teile ich auch. New Work ist eben kein Anzug, den man einfach überstülpen kann. Vielmehr eine Entwicklung von innen nach außen. „Es geht darum, den Autopiloten auszuschalten und einmal nicht im klassischen Sinn zu managen“, sagt Kristian mit Blick auf die Führungskräfte: „Wahrhaftig und authentisch zu sich selbst zu kommen, erfordert Stille und Selbstzuwendung.“ Erst dann können wir unterscheiden: Was ist Show, was gelebte Kultur?
Statt „nach außen zu glänzen“ und „die Oberfläche zu polieren“, lädt Kristian in seinen Filmen Unternehmen und Führungskräfte sowie auch jeden Einzelnen von uns dazu ein, den Zugang zu sich selbst und zum eigenen Sinn beim Arbeiten und im Leben überhaupt wiederzuentdecken. Diese Erfahrung hat er auch ganz persönlich schon durchlebt: als Werbefilmer fehlte ihm der „Purpose“ über lange Zeit. Erst mit dem Switch zum „Wertefilmer“ fand er seine persönliche Vision und seine Werte wieder.
Kulturwandel der Arbeitswelt: Darf ich alles sagen, was ich fühle?
Und so geht es ihm vor allem darum, einen Perspektivwechsel in der Mitte der Gesellschaft und in unserer Arbeitswelt anzustoßen. Der Schlüssel dazu: Das Gespräch. Zum Beispiel mit den eigenen Mitarbeitern. „Wer mit den Menschen spricht, spürt ihre Problemfelder. Oft werden sie nicht ausgesprochen. Viele trauen sich nicht“, so seine Beobachtung. Das ist Teil der Kultur.
Doch erst, wenn wir sagen, was wir wirklich spüren und fühlen, können wir uns wirklich zeigen. Kristian ist sich sicher: Corona war hier ein Verstärker für das, was an Gefühlen in der Arbeitswelt sowieso schon da war: „Jetzt konnte es sich zeigen – auch auf Grund der fehlenden Ablenkung.“ So entstand vielerorts ein Gefühl wiederentdeckter Freiheit, man erlaubte sich nachzudenken: Was möchte ich eigentlich machen?
„Die Idee von New Work ist nicht, Mitarbeitern Freiräume zu geben. Es geht vielmehr darum, ihnen die Freiheit nicht wegzunehmen“
Home Office, Flex Desk und freie Arbeitszeitgestaltung sind also keine großzügigen Zugeständnisse von Arbeitgebern, sondern Notwendigkeiten, um dem Menschen das zurückzugeben, was ihm seit langem bei der Arbeit fehlt: Autonomie und Selbstbestimmung. Die junge Generation fordert diese neue Freiheit radikal, beobachtet Kristian.
Das bringt Branchen, die sich nicht wandeln wollen, in die Situation, keine Mitarbeiter mehr zu finden – sei es in der Office-Welt, im Gesundheitssektor oder der Gastronomie. Hohe Krankheitsquoten und Demotivation der Mitarbeiter sind weitere, bekannte Probleme. „Unternehmen mit einer Kultur, die diese Freiheit nicht erlaubt, sind auch nicht mehr innovativ.“
Kristians Credo deshalb: Wir sollten uns radikaler zutrauen, Dinge zu ändern. Weiche Soft Skills kristallisieren sich angesichts der New-Work-Bewegung zunehmend als harte, überlebenswichtige Faktoren heraus. Die Selbstkonfrontation der Mitarbeiter und des Unternehmens mit sich selbst sind daher gleichermaßen essentiell. Und auch Führung verändert sich angesichts neuer Freiheit und Arbeitsmöglichkeiten.
Veränderung ist anstrengend – birgt aber die Chance der Mitgestaltung
Ohne Frage: Das ist anstrengend. Veränderung setzt Menschen unter Druck, löst Ängste aus. Während die einen am Bewährten festhalten oder geschehen lassen, wollen Andere aktiv mitgestalten. Aus Kristians Sicht gibt das jedoch insgesamt Anlass für Optimismus: „Eigentlich haben wir jetzt eine tolle Gründerzeit, in der wir das Zepter in die Hand nehmen und uns wichtige Fragen stellen dürfen“, findet er.
Fragen, mit denen wir im Führersitz unserer Arbeit Platz nehmen dürfen:
• Was wollen wir für Unternehmen haben? • Was wollen wir für eine Führungskultur? • Was wollen wir als Purpose? • Welche Haltung brauchen wir? Wir müssen wir zusammenarbeiten? • Bin ich mir meiner Werte bewusst? • Was will ich eigentlich mit meinem Leben machen?
Neue Freiheit: „Du hast die Chance alles zu tun, was du machen möchtest“
Sich diese Fragen zu stellen und selbst zu beantworten, ist nicht nur möglich: „Wir sind fast gezwungen dazu, weil unser Freiheitsgrad steigt“, plädiert der Dokumentarfilmer und fügt an: „Das erfordert Mut.“ Wobei ich ihm recht gebe. Klar, dass wir bei diesem Prozess auch digitale Hilfsmittel und KI einbeziehen müssen. Womit wir bei Kristians nächstem Filmprojekt wären: Das dreht sich nämlich um generative KI, Digitalkompetenz und KI-Forschung.
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